Frommes Werk und geistlicher Dienst

Die Birgitten und das Seelenheil der Stralsunder Bürger

Die Sorge um das Seelenheil war ein wichtiger Bestandteil der Menschen in der mittelalterlichen Welt. Sie bestimmte den Alltag von der Geburt bis zum Ende des Lebens und auch darüber hinaus. Die Seelsorge durch die mittelalterlichen Geistlichen war dabei eine häufig geforderte und ebenso umfassend finanzierte Dienstleistung. Ob Kelche, Kerzen, Bücher, komplette Altäre, eine Priesterstelle in Form einer Vikarie oder ganze Klöster – dem mittelalterlichen Menschen war scheinbar kein geistlicher Dienst zu teuer. Zeuge dieser heute manchmal fremd wirkenden Aktivitäten sind die zahlreichen überlieferten Urkunden. In vielen sogenannten Stiftungsurkunden übertrugen Einzelpersonen, Zünfte oder ganze Gruppen von Bürgern einen hohen finanziellen Wert an die geistlichen Dienstleister, die dann für die Seelen der Stifter beten sollten.

Von: Robert Harlaß | 10. Mai 2022
Stralsund, Stralsunder Bilderhandschrift von 1615, links Dominikanerkloster, rechts Franziskanerkloster und Heiliggeist Kirche
Stralsund in der Stralsunder Bilderhandschrift von 1615, links das Dominikanerkloster, rechts das Franziskanerkloster und die Heilgeistkirche / Stadtarchiv Stralsund

Reiche Stralsunder und die Klostergründung

Besonders im städtischen Raum gab es zahlreiche Stiftungsvorgänge. Gerichtet waren die Stiftungen an Pfarrkirchen aber auch an die geistlichen Ordenskonvente, und so war auch die Stadt Stralsund ein Ort, an dem mehrere Orden ihre Heimat hatten. Wirft man einen Blick in die überlieferten Testamente und Stiftungsurkunden, die heute vor allem im Stadtarchiv Stralsund liegen, so fällt auf, dass die Stralsunder insbesondere den Bettelorden in der Stadt stifteten. Aber nicht nur die Franziskaner und die Dominikanerkonvente waren beliebt, sondern auch andere Orden wurden reich bestiftet.

Kreuzgang des Franziskanerklosters St. Johannis in Stralsund
Kreuzgang des Franziskanerklosters St. Johannis in Stralsund / Foto K. Hillebrand

Die Birgitten Mariakron

Ein besonderes Beispiel ist das Stralsunder Birgittenkloster Mariakron, dessen Gründung maßgeblich durch den städtischen Rat initiiert wurde. Es waren somit hansestädtische Eliten, die sich das Kloster nahe Stralsund wünschten und mit ihrem Reichtum realisierten. Neben einer Stiftung der Witwe des Ratsherrn Arnold Polemann stiftete der Stralsunder Bürgermeister Simon von Orden zu seinem persönlichen Seelenheil den Birgitten einen Garten bei Stralsund. Die Beteiligung am Aufbau des Klosters ging zeitweise einher mit der Übernahme von Ämtern, die einen Zugriff auf die Gestaltung und die Finanzwelt des Klosters zuließen. Nach der erfolgreichen Stiftung wurde Simon von Orden einer der ersten Prokuratoren und damit Schatzmeister des jungen Birgittenklosters. Ob nur fromme Gründe die reichen Hansestädter zur Stiftung motivierten, bleibt fraglich. Die Birgitten nahe Stralsund sind also nicht nur ein Beispiel für städtische Stiftungsbemühungen um das Seelenheil, sondern auch für die enge Verbindung zwischen Stadt und geistlichem Orden bei wirtschaftlichen Fragen.

Fromme Werke auch ohne geistliche Orden

Doch die mittelalterlichen Menschen mit dem Wunsch, für ihr Seelenheil zu stiften, brauchten dazu nicht immer einen geistlichen Orden wie die Franziskaner oder die Birgitten. Als fromme Werke wurden auch Stiftungen angesehen, die etwa den Armen, Hungernden, Kranken oder Reisenden zu Gute kamen. Auch in Stralsund gab es dafür zahlreiche Beispiele. Wie in den meisten mittelalterlichen Städten gab es in Stralsund ein Heilig-Geist-Hospital, das als städtische Einrichtung für Kranke und Hilfsbedürftige bereits im 13. Jahrhundert existierte. Heute erinnern zum Beispiel die Heiliggeistkirche und die Heiliggeiststraße an das mittelalterliche Spital.

Stralsund, Detail aus dem Stadtplan von Mathaeus Merian, 1652, Heilig Geistkirche
Stralsunder Heilgeistkirche, Detail aus dem Stadtplan von Mathäus Merian, 1652 /

Auch das alte St. Georgshospital war eine städtische Einrichtung aus dem 13. Jahrhundert, das unter dem Patronat des Drachentöters Georg (bzw. auch Jürgen genannt) stand. Ursprünglich befand es sich vor der Stadtmauer am Kniepertor, doch von der mittelalterlichen Anlage ist nichts mehr erhalten. Dennoch kann man den Spuren dieser städtischen Stiftung im Stadtbild nach wie vor begegnen. Das viel jüngere sogenannte „Kloster St. Jürgen am Strande“ in der Mönchstraße erinnert noch heute an das mittelalterliche Hospital.

Stiftungen und Frömmigkeit überall

Stiftungen und die Sorge um das Seelenheil durchzogen das Leben der mittelalterlichen Menschen. Ob es der geistliche Orden der Birgitten war, dessen Mitglieder für die Seelen der Stifter und ihrer Familien beten sollten, oder ob das fromme Werk den Armen und Kranken galt – die Nachfrage nach geistlichem Dienst war im mittelalterlichen Stralsund durch die vielen Kirchen und Klöster allgegenwärtig.

Stralsund, Stadtansicht von Mathaeus Merian, 1652
Stralsunder Stadtansicht von Mathäus Merian, 1652 /

Quellen und Literaturhinweise

[1] Angenedt, Arnold, Die liturgische Memoria: Hilfe für das Fortleben im Jenseits, In: Berndt, Rainer (Hg.), Wider das Vergessen und für das Seelenheil. Memoria und Totengedenken im Mittelalter (Erudiri Sapientia, 9), Münster 2013, S. 99-226.

[2] Borgolte, Michael, Stiftung und Memoria (Stiftungsgeschichten, 10), Berlin 2012.

[3] Lusiardi, Ralf, Stiftungen und städtische Gesellschaft. Religiöse und soziale Aspekte des Stiftungsverhaltens im spätmittelalterlichen Stralsund (Stiftungsgeschichte, 2), Berlin 2000.

[4] Möller, Gunnar, Zur Topgraphie der Klosteranlagen in der Hansestadt Stralsund, in: Kimminus-Schneider, Claudia / Schneider, Manfred (Hgg.), Köster und monastische Kultur in Hansestädten. Beiträge des 4. Wissenschaftlichen Kolloquiums Stralsund 12. bis 15. Dezember 2001 (Stralsunder Beiträge zur Archäologie, Geschichte, Kunst und Volkskunde in
Vorpommern, 4), Rahden/Westf. 2003, S. 89-102.

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